Im Bannkreis der Malerei / Krystyna Kuczynski, Oktober 2018
Daniel Felber bewegt sich als Künstler in vielen Bereichen, die er mit unterschiedlichen Mitteln und diversen Techniken untersucht, begleitet von stetiger Neugier seine Ausdrucksmöglichkeiten auszuloten und zu erweitern. Dabei hat er auch den Mut, sich in unkontrollierbare Situationen zu begeben und sich vom Malprozess leiten zu lassen. Er reagiert empfindsam auf landschaftliche und farbliche Gegebenheiten und Zustände in seiner Umgebung. Daraus resultiert eine malerische Sprache, die sich in einem gewissen selbstdefinierten Rahmen immer wieder ändert. Das ist für die Betrachtenden nicht immer leicht zu verfolgen, sie müssen auf Wendungen und Überraschungen gefasst sein.
Seine Ausbildung absolvierte er an der Schule für Gestaltung Basel, in der Fachklasse Lehramt für Bildende Kunst, wo er auch Kurse bei Owsky Kobalt und Johannes Burla belegte. Dadurch beeinflusst, hat er zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn plastisch gearbeitet. Er hat Objekte aus Gips geschaffen, die in strengen, geometrischen Formen präzise ausgeführt wurden. Es stellte sich aber relativ schnell heraus, dass dieses Medium nicht seinem Temperament entsprach. Wie er selbst sagt, erlaube ihm die Malerei einen direkteren, einfacheren Zugang zum Arbeitsprozess. Er sei näher bei sich, seinen Empfindungen und finde leichter zum eigenen Energiepotenzial. So könne er kreativ arbeiten, ohne den Ballast der Kunstgeschichte zu spüren.
In den etwas mehr als zwanzig Jahren seines malerischen Schaffens benutzt er abwechselnd verschiedene Techniken, die er zur jeweiligen Art seiner Arbeiten auswählt. Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt malte er sogar häufig ohne Pinsel, mit der blossen Hand und den einzelnen Fingern, um den Bilduntergrund mit der eigenen Haut zu spüren und somit unmittelbar die Entstehung eines Bildes zu beeinflussen. Auf diese Weise entstanden in den Jahren 2002 – 2007 pastose, gestische Kleinformate. Eine ähnliche Impulsivität nimmt man 2012 – 2013 in den grossformatigen, nach einem Aufenthalt in Burkina Faso entstandenen Tanzbilder wahr, die expressiv und mit starken Farbkontrasten gemalte menschliche Gestalten zeigen. Ein Wirrwarr von tanzenden Körpern erweckt den Eindruck, als ob die Körperteile nicht zusammengehörten, als ob sie zerstückelt wären. Diese Bilder sind zum Teil nach eigener körperlicher Bewegung, eigenem Tanzen gemalt worden. Das Gestische, die Expression des Rhythmus kommt stark zum Ausdruck, auch ein beunruhigendes Chaos der Emotionen wird vom Betrachter wahrgenommen.
Zum damaligen Zeitpunkt benutzte Felber Acrylfarben, die ihm eine schnelle Übertragung seiner Empfindungen auf die Bildfläche erlaubten. Ein Aspekt, der Felber während dieser Arbeitsphase auch erforschte, waren Räume, die zwischen den Tanzenden und ihren Körperteilen entstanden.
Man könnte sagen, dass das, was in den angelegten Zwischenräumen stattfindet, ein ebenso wichtiger Aspekt ist, welcher Felber beschäftigte.
Auf seine Art untersucht er das, was im Verborgenen stattfindet, nicht das Offensichtliche. Gut zu sehen ist dies in der grossformatigen Leinwand Agadez von 2015, in welchem ein Foto, mit auf einen Laster steigende Flüchtende, unter vielenSchichten aus Farbe verborgen sind. Diese Farbschichten wurden meist mit einem grossen Schaumstoff-Stempel so dicht aufgetragen, dass das Fotofür den Betrachter nicht mehr zu sehen ist. Für Felber ist das auch nicht nötig, die Intention dahinter ist ihm wichtig.
Auf diese Weise erhofft sich Felber eine positive Wendung für die Flüchtenden, nach deren gefährlichen Fahrt durch die Wüste und über das Meer.
Das später entstandene Bild Berlin / Zeitfahrt entstand auf einer ähnlichen Basis: Zwei berühmte Fotos aus dem Jahr 1961, in dem die Berliner Mauer erbaut wurde. Auf dem einen sieht man einen Soldaten, der über einen Stacheldraht springt, auf dem zweiten eine Frau, die von einer erhöhten Plattform über die Mauer blickt; beide wurden durch viele Farbschichten übermalt. Die Formen auf der Bildfläche sind zum Teil geometrisch und wiederholen sich rhythmisch, zum Teil sind sie organisch; man kann Äste und Blätter darin erkennen. Diese Elemente können mit der Mauer und den bewachsenen Flächen von Parkanlagen in Berlin leicht in Verbindung gebracht werden. Die Schichten überlagern sich, der Betrachter kann nicht klar erkennen, was im Vorder- und was im Hintergrund steht.
In der linken oberen Ecke befindet sich eine organische Form. Ihre mit Rost assoziierbare Farbe deutet auf vergehende, zerfliessende Zeit hin. Diese melancholische, für mich deutlich erkennbare Stadtlandschaft, hängt mit den Zeiten der grauen und eher farblosen Vergangenheit Berlins, mit den schwer hängenden Wolken über dieser Stadt zusammen. Das Bild malte Felber nach einem Aufenthalt in Berlin.
Mit dem Wissen, dass sich unter diesen Farbschichten zwei Fotos befinden, welche die Geschichte dieser Stadt zeigen, wollte Felber die Vergangenheit Berlins verarbeiten. Unbewusst wollte er die Geschichte beschwören, damit sie sich nicht mehr wiederhole.
Acryl, Eitempera und Dispersion auf Leinwand sind in den letzten Jahren die am häufigsten von Felber verwendeten Maltechniken. Das Zusammenspiel von solch unterschiedlicher Farbarten erlauben ihm den Effekt des Durchdringens der Schichten zu erzielen. Die Zubereitung der Eitempera gibt Felber zusätzlich eine spezielle Verbindung mit dem Werk, an dem er gerade arbeitet. Drei Bilder mit dem Titel Hugo, die im Jahr 2018 gemalt wurden, jeweils mit 1,2,3, bezeichnet, sind im Werk von Felber ungewöhnlich. Es sind schwarz-weisse Bilder, geschaffen als malerische Übersetzung von Objekten; zerstörte Papiertaschen, die mit Pflastern und immer weiteren Klebebändern zusammengehalten werden – provisorisch geheilt . Die Tragtaschen sind vor dem Malen wieder zerlegt worden.
Durch den starken, für Felber ungewöhnlichen, schwarz-weiss Kontrast auf dem Bild, werden die Formen überdeutlich sichtbar, die Entschlüsselung ist für den Betrachter jedoch nicht einfach. In zwei Bildern öffnet sich ein Raum nach Innen, in Hugo 2 wurde dieser Raum grösstenteils zugepflastert, er bleibt geschlossen.
Die Serie Dockland for Basquiat zeigt eine eigenwillige Vorliebe zum afroamerikanischen Maler, dessen ungezähmte Linien durch Felber im Arbeitsprozess zu repetitiven grauen, gelben oder englischroten Balken wurden.
In seinen neusten Bildern, Takt-Impro 1, 2 und 3 sind die Formen radikal zu Flächen vereinfacht. Der Maler versucht die Impulsivität in eine Formsprache zu übersetzen, die Klarheit bringt, dabei aber lebendig bleiben soll.
Wenn man den künstlerischen Weg Daniel Felbers verfolgt, erkennt man, dass sich der Kreis seines Schaffens in gewisser Weise schliesst: In den letzten Bildern bezieht er sich auf eine Formsprache wie bei seinen frühen Plastiken, die er vor fast dreissig Jahren in konkreter Manier schuf.
Es scheint kein Rückschritt zu sein, es bietet vielmehr einen hervorragenden Ausgangspunkt für die Suche nach weiteren Ausdrucksmöglichkeiten.