Schichten des Lebens / Eveline Schüep, 2016
Der Künstler Daniel Felber arbeitet in den letzten zwei Jahren bewusst in verschiedenen Schichten und bedient sich unterschiedlicher Techniken um die Prozesse und Themen des Lebens in seinen Bildern sichtbar werden zu lassen. Oft dienen ihm bereits bestehende Werke als Grundlage für neue Arbeiten.
Diese Übermalungen sind für ihn nicht einfach ein Verwerfen von bereits Bestehendem, sondern entsprechen dem Funktionieren unseres Gedächtnisses, sowie unserem Umgang mit Erinnerungen. Neues überlagert bereits Vorhandenes, Altes wird neu gesichtet und das Vergangene bildet die Grundlage für weitere (gestalterische) Entscheidungen.
Dabei spielen in seinen Arbeiten Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen, wie in der Serie Homs (2000/2015), eine wichtige Rolle. Die rechteckartigen, sich überlagernden Strukturen dieser Bilder evozieren eine gebaute Stadtarchitektur. Die verschiedenen Übermalungen, die immer auch eine Auslöschung des Vorherigen bedeuten, erinnern zugleich an eine zerstörte, wie sich auch im Aufbau befindende Siedlung. Die starken blauen und roten Farbrhythmen können vielleicht als das immer noch bestehende Leben dieser vom Bürgerkrieg gebeutelten, syrischen Stadt gelesen werden.
In anderen Arbeiten greift Daniel Felber jedoch nicht auf eigene Werke zurück, sondern benutzt Medienbilder als Ausgangspunkt seiner grossformatigen Malereien. Nach längerem Betrachten scheinen im Gemälde Agadez (2015) die orangen Flecken sich in bewegte Figuren zu verwandeln. Die geometrischen, mauerartigen Raster scheinen die Figuren einerseits zu zermalmen, anderseits zugleich ihr Halt zu sein. Die Arbeit nimmt Bezug auf eine Fotografie aus einem Bericht über die gleichnamige Stadt in Niger, die zu einer Drehscheibe der Migration nach Europa geworden ist und zeigt einen riesigen Lastwagen, den Menschen erklimmen. Eine andere Seite des Alltags in Afrika zeigen seine Bilder der Serie Le meilleur pour l`Afrique (2015). Rhythmisch sind erdfarbene, warme Farbfelder mit kühlen Partien verwoben. Ihre Farbigkeit erinnert einerseits an die traditionelle afrikanische Bauweise und ruft anderseits durch das extreme Querformat der Bilder die Weite der afrikanischen Landschaften hervor.
Eine ähnliche Reduktion der Formensprachen findet sich in den Bildern, die aus aneinandergefügten Brettern bestehen und mit den Strukturen und Farben der verwendeten Stoffe wie Schaltafeln und anderen Fundstücken arbeiten. Mit minimalen Eingriffen und durch die Komposition der einzelnen Elemente entstehen Anklänge an Landschaftliches wie Horizont oder Häuserzeilen. In einigen seiner Malereien setzt Daniel Felber verschiedene grossformatige Stempel ein, mit denen er die darunter liegenden Malschichten partiell überdeckt. Die rechteckigen Formen, die gitterförmige Strukturen bilden, welche an Steinschichtungen und geologische Verwerfungen erinnern, stehen für ihn für das Materielle oder für das Seiende an sich. Sie können jedoch, wie in dem Bild Agadez, auch die wirtschaftlichen Zwänge verkörpern. Andere mehr runde, organisch wirkende Schablonenformen, die schimmelartige Qualitäten besitzen, überlagern respektive überziehen diese wiederum. Dieses Arbeiten in verschiedenen Schichten, bei dem sich die beiden gegensätzlichen Formprinzipien – das lebendig Wuchernde und das strukturiert Rationale – abwechseln, ist für Daniel Felber eine Möglichkeit, den Prozess der Zeit, des Aufbaus und Verfalls, in seinen Bildern in einer verdichteten Form nachzuvollziehen. Diese Zeitschichten bilden die Grundlage vieler seiner Arbeiten.
In seinen neuesten Werken wie beispielsweise Die absolute Schönheit (2016) überziehen leichte, elfenbeinfarbige und weisse Lasurschichten die darunter liegenden Malschichten. In diesem hellen Untergrund ist die «Bildvergangenheit» immer noch sichtbar und schimmert palimpsestartig durch. Sie macht einen grossen Teil der Lebendigkeit und Tiefe dieser Bilder aus. Die oft in kräftigem Rot gesetzten Formen erinnern an Blüten oder aufkeimendes Leben.
Daniel Felber reagiert in diesen letzten Pinselstrichen ganz aus dem Moment und der Meditation heraus auf die (Ge)schichten des Bildes, um mit diesen reduzierten Formen und Farben ein Maximum an Intensität des Augenblicks einzufangen.